Eine kleine Geschichte

Ich empfehle diese kleine Geschichte zu Ende zu lesen, um nicht (wie Klaus Störtebeker nach seiner Enthauptung ) kopflos durch die Reihen zu laufen!

Am Anfang war das Gewürz. Seit die Römer bei ihren Fahrten und Kriegen zum ersten Mal an den brennenden oder berauschenden und betäubenden, den beizenden Ingredienten des Morgenlandes Geschmack gefunden haben, kann und will das Abendland die „Especeria“ die Indischen Spezereien in Küche und Keller nicht mehr missen. Denn unvorstellbar schal und kalt bleibt bis tief ins Mittelalter die nordische Kost! Selbst bei Fürsten und Vornehmen täuschen stumpfe Vielfresserei über die geistlose Monotonie der Mahlzeiten hinweg. Aber Wunderbar: Bloss ein einziges Korn indischen Gewürzes, ein paar Stäubchen Pfeffer, eine trockene Muskatblüte, eine Messerspitze Ingwer oder Zimt dem gröbsten Gerichte zugemischt und schon spürt der geschmeichelte Gaumen fremden und schmackhaften Reiz. Aber nicht nur für die Küche allein benötigte das Abendland so gewaltige Mengen Gewürze. Auch die weibliche Eitelkeit forderte immer mehr von den Wohlgerüchen Arabiens. Weber und Färber müssen chinesische Seiden und Damaste für sie verarbeiten. Goldschmiede die weissen Perlen von Ceylon und die bläulichen Diamanten aus Nasingar ersteigern.

Aber noch gewaltiger forderte die katholische Kirche den Verbrauch orientalischer Produkte. Denn keines der Milliarden und Abermilliarden Weihrauchkörner die in den Kirchen Europas der Mesner im Räucherfasse schwingt, ist auf europäischer Erde gewachsen. Jedes einzelne dieser Milliarden und Abermilliarden Körner muss per Schiff und zu Lande den ganzen unübersehbaren Weg aus Arabien und Indien transportiert werden.

Kein Handelsartikel ist so begehrt wie die Gewürze. Beinahe hat es den Anschein, als hätte der Duft dieser morgenländischen Blüten auf magische Weise die Seele Europas berauscht. Aber gerade weil so modisch begehrt, bleibt die indische Ware teuer und wird immer teurer. Am ehesten gewinnt man eine optische Anschauung von der tollen Überbewertung der Gewürze, wenn man sich erinnert, dass zu Anfang des zweiten Jahrtausends derselbe Pfeffer der heute an jedem Wirtstisch offen steht und achtlos wie Sand weggewischt wird Korn um Korn abgezählt wurde und im Gewicht fast gleich wie Silber gehandelt wurde. So absolut war seine Wertbeständigkeit, dass manche Staaten mit Pfeffer kalkulierten wie mit einem Edelmetall. Man konnte mit Pfeffer Grund und Boden erwerben. Mitgiften bezahlen, sich einkaufen ins Bürgerrecht. Mit Pfeffergewicht setzten manche Fürsten ihre Zölle fest. Wenn man im Mittelalter einen Mann als schwerreich bezeichnen wollte, so schimpfte man ihn einen Pfeffersack. Aber so Absurd diese Überbewertung unserem heutigen Blick erscheint, so selbstverständlich wird sie, sobald man die Schwierigkeiten und das Risiko des Transportes in Rechnung zieht. Unermesslich weit liegt in jenen Tagen die Distanz vom Morgenland zum Abendland. Und welche Fährnisse und Hindernisse haben Schiffe, Karawanen und Wagen unterwegs zu überwinden .Das Wort handeln kommt von Hand und durch wie viele Hände muss die Ware wandern, ehe sie durch die Wüsten und Meere zu den letzten Käufern, den Verbrauchern gelangt. Durch mindestens zwölf Hände, so schriftet es Martin Behaim seinem Globus, seinem berühmten Erdapfel vom Jahr 1492 ein, muss das indische Gewürz wucherisch wandern, ehe es an die letzte Hand, in die des Verbrauchers gelangt. Aber wenn auch zwölf Hände den Gewinn sich teilen, so presst doch jeder einzelne genug goldenen Saft aus dem indischen Gewürz. Trotz allen Risiken und Gefahren gilt der Spezereihandel als der Einträglichste des Mittelalters, weil bei kleinstem Volumen der Ware mit der grössten Marge an Gewinn verbunden war.

Mögen von fünf Schiffen, Trinidad 110 T, Conception 90 T, Santo Antonio 120 T, Santiago 85 T und Victoria 95 T, – die Expetition von Fernao de Magalhaes beweist dieses Rechenexempel – vier zu Grunde gehen, mögen 200 Menschen von 265 nicht wiederkehren, so haben zwar Matrosen und Kapitäne ihr Leben verloren, der Händler hat aber bei diesem Spiel noch immer gewonnen. Kehrt nur noch ein einziges Schiff von den fünfen mit Gewürzen beladen nach drei Jahren zurück, (Victoria ) so macht die Ladung mit reichlichem Profit den Verlust wert. Was zählt da schon der Verlust von 200 Seemännern, die anderen nicht eingerechnet. Die Paläste Venedigs und jene der Fugger und Welser sind fast einzig aus dem Gewinn an indischem Gewürz erbaut. Aber unvermeidlich wie Rost an Eisen setzt sich Neid am grossen Gewinn. Mit scheelen Augen sehen längst die Genuesen, die Franzosen, die Spanier auf das geschickte Venedig, das den goldenen Golfstrom an den Canale Grande zu leiten vermochte. Und mit noch ärgerer Erbitterung starren sie nach Ägypten und Syrien, wo der Islam eine undurchdringliche Sperrkette zwischen Indien und Europa gelegt hat. Keinem christlichen Schiff ist die Fahrt auf dem roten Meer gestattet. Keinem christlichen Händler auch nur die Durchreise. Unerbittlich geht aller Indienhandel ausschliesslich durch türkische und arabische Händler und Hände. Damit wird aber den europäischen Verbrauchern die Ware unnütz verteuert, dem christlichen Handel der Gewinn zum vornherein abgemelkt.

Die Kreuzzüge waren keineswegs, wie es romantisierend dargestellt wird, ein bloss mystisch – religiöser Versuch die Stätte des heiligen Grabes den Ungläubigen zu entreissen.

Diese erste europäische Koalition stellte zugleich die erste unlogische und Zielbewusste Anstrengung dar, jene Sperrkette zum roten Meer zu durchstossen und den Osthandel für Europa, für das Christentum freizumachen. Da dieser Stoss misslang, da die Ägypter nicht den Mohammedanern entrissen werden konnte und der Islam weiterhin den weg nach Indien verlegt, musste notwendigerweise der Wunsch wach werden, einen anderen, einen freien Weg nach Indien zu finden. Die Kühnheit die Columbus nach Westen, die Bartholomäus Diaz und Vasco da Gama nach Süden, die Cabot nach Norden vorstossen liessen, entsprang in erster Linie dem Zielbewussten Willen, endlich, endlich für die Abendländische Welt einen anderen, einen freien, einen Unbezollten und ungehinderten Seeweg nach Indien zu entdecken und damit die schmachvolle Vormachtstellung des Islam brechen. Der Verdienstete unter diesen Entdeckern war Fernao de Magalhaes. (Magellan) Seine Entdeckungsfahrt war weit bedeutender, als die von Christoph Columbus.

Gewiss hätten auch um der kühnen Idee willen die Könige und die Räte an Magellans Vorschlägen sich begeistert; nie aber wäre das nötige Geld gewagt worden an ihr Projekt, nie von Fürsten und Spekulanten ihnen eine Flotte ausgerüstet worden ohne die gleichzeitige Aussicht, bei dieser Entdeckungsfahrt den aufgewerteten Betrag tausendfach zu verzinsen.

Hinter den Seehelden jenes Zeitalters der Entdeckungen standen treibende Kräfte und das waren die Händler.
Auch dieser erste Historische Impuls zur Welteroberung ging aus von sehr irdischen Kräften.

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Hallo Seemann; spürst du nicht in deinem Kopf das Verlangen nach einem Vergleich zu der Zeit von heute?

René Bolliger