Chörlisänger ohne Heimstatt

Lang ist`s her, da fragte mich Heinz Stucki der in derselben Wohngenossenschaft wohnte, er hätte gehört dass ich früher einmal zur See gefahren sei. Das konnte ich nur bestätigen. „Dann ist es langsam Zeit, dass du in unseren Seemannsclub kommst – und damit auch gleich in unser Chörli“, dabei sah er mich an als hätte ich ihm “weisswas“ unterschlagen. So bin ich halt zur nächsten Probe mitgegangen. Hier traf ich tatsächlich eine ganze Gruppe von aufgestellter Typen. Im Proberaum waren einige Tische zu einem Rechteck zusammen gerückt. Die eine Längsseite wurde von den Erststimmen besetzt. Die gegenüberliegende Seite war der Platz der Handharmonikaspielerin und des Dirigenten, der bei Auftritten sich bei den Drittstimmen eingliederte. Heinz war bei den zweiten Stimmen zuhause. Ich setzte mich neben ihn, nichtwissend, dass ich mich für diese „Stimme“ entschieden hatte. Dass der Chor mehrstimmig sang, davon hatte ich keinen Dunst, da fragte mich der Dirigent –„Welche Stimme singst du?“ Ich glaubte der macht einen Witz und sagte grinsend die „Dritte“ Da meinte Heinz in diesem Fall gehörst du auf die andere Seite. Schon war ich meinen Platz los und wechselte auf die andere Seite. Hier sassen auch zwei oder drei Sänger die mich beäugten als käme ich vom Mond. „Hast du den Stimmbruch gehabt, wir singen nämlich ziemlich tief“? Mein Gott was für eine Begrüssung.

Bei den Drittstimmler lebte ich mich langsam ein, eine kleine aber aufgestellte Gruppe. Da ich die hier gesungenen Chorlieder und Shantys nicht kannte, war die Gefahr des abgleitens in die melodietragende erste Stimme nicht gegeben. Bei manchmal wirklich tiefen Töne musste ich diese hochwürgen. Stimmt ich hatte nie einen Stimmbruch oder aber dies stellte sich bei mir ohne dem Krächzen und der Heiserkeit ein. Zum lernen nahm ich zu Hause den Computer zu Hilfe indem ich ihn mit den Noten fütterte und anschlies- send das Geschriebene abspielen liess.

Ich war noch nicht ganz zuhause bei der “Dritten“ wurde ich gebeten in die “Zweite“ zu wechseln. Hier begann der „Endlos im Kreis Gefangene ohne Heimstatt.“ Da die zweite Stimme nach Ansicht des Dirigenten „hier sollte ich vielleicht einmal seinen Namen nennen“ der Gute heisst Othmar“, unterbesetzt oder zu schwach fand, hatte er mich gebeten in die Zweite zu wechseln. Das habe ich auch getan mit erheblichem Kraftaufwand. Das ganze Protzedere der Lernerei begann von vorn. Es hat sich nicht gelohnt. Ich glaubte schon meinen Platz gefunden zu haben, als ein Zweit- stimmler mich fragte ob ich die vierte Stimme singe, es höre sich auf jedenfall so an. (Du weisst von wem ich spreche – stimmt`s Röbi?) Jetzt hatte ich die Nase voll. Ich habe auch noch andere Hobbys.

Othmar wollte aber keinen Sänger verlieren und bat mich in die „Erste“ zu wechseln. Schon wieder hatte ich zugestimmt. Scheinbar bin ich gut zu manipulieren. Hier endlich fand ich meinen Platz. Ich war glücklich die richtige Stimmelage gefunden zu haben.

Ueber Jahre lief es wunderbar – es hätte immer so bleiben dürfen. Bei einer Probe waren zu wenige Tische aufgestellt und somit die Längsseite etwas kürzer. Da mein Platz am linken Ende der Erststimmler war musste ich ausweichen nach links was hiess, dass ich bei der“ Dritten“ sass. Diese war in- zwischen stark geschrumpft. Zwei Todesfälle und ein Abgang. Sie wissen was jetzt kommt – genau, ich bin wieder auf Wanderschaft. Ich finde einfach nicht mein Zuhause.

Es grüssen die Frustierten
Kurt