A long time ago

Als nach Kriegsende die Schifffahrt wieder geöffnet wurde, hatte das zur Folge, dass das Arbeitslager im Meliorationswerk der Schweizerischen Reederei in Langenbruck aufgehoben wurde und die Matrosen und Schiffsjungen wieder auf Fahrt gehen konnten. Dabei waren auch zwei Matrosen, deren Weg wir hier ein kleines Stück begleiten.

In Strassburg wurden sie auf ein Schiff beordet, dessen Wohnung auf dem Achterdeck notdürftig hergestellt wurde. In der Kombüse stand ein Kohlenherd und die Kojen waren verteilt in zwei Räumen. Türen gab es keine. Der Rest des Schiffes war vollständig ausgebombt. In drei Laderäumen stand meterhoch das Leckwasser. Luken waren nur noch wenige vorhanden. Die zwei wohnten also mitsamt einem arroganten selbstherrlichen holländischen Kapitän auf diesem Schiff. Das einzig positive an Bord war, dass der Wohnraum trocken war.

Im Auftrag der Reederei war nun das manövrierunfähige Wrack durch Schleppboote in verschiedenen Abständen nach Belgien auf eine Werft unterwegs. Da viele Brücken zerstört waren und der Wasserweg durch arbeitende Tauchgruppen gesperrt war, gab es immer wieder längere Aufenthalte und man kam nur in Etappen voran. Mit dem Befehl zu pumpen und spleissen hielt der Alte die beiden auf Trab. In der übrigen Zeit erzählte er ihnen von seinen Heldentaten während des Krieges. Zwischendurch gab es auch immer wieder Landgang und diese Abwechslung tat den beiden gut. Mit etwas Tauschhandel, natürlich gegen Tranksame, hielten sie sich in Laune und über Wasser. Nach passieren des Gebirges war wegen Sprengungen in Koblenz die Weiterfahrt wieder unterbrochen und so blieb das Schiff in Oberlahnstein wiederum ein paar Tage vor Anker liegen. Dies zu erwähnen ist deshalb so wichtig, weil die beiden Bordwache hatten und der Alte sich an Land bringen liess. Der Abend verlief für die beiden an Bord feucht und fröhlich mit zuvor eingetauschtem Wein und sie legten sich mit schweren Gliedern in die Kojen. Am anderen morgen sahen sie nichts ahnend drüben im anderen Raum das Bett leer und rätselten, wo er wohl sein könnte. Sie schlürften das tägliche Gesöff, dem man den Namen Kaffee anheftete, in sich hinein. Da war auf einmal ein Geräusch aus der Ecke des Alten zu hören. Einer ging hin und sah einen in weissem Verband eingewickelten Kopf unter der Wolldecke hervorschauen. Im Laufe des folgenden Tages stellte sich heraus, dass es an Land zwischen Holländern zum Streit kam und die Folge war der zerschlagene Kopf des Alten. Für die zwei, es ist zwar nicht gerade schön dies zu sagen, strahlte die Welt in den darauffolgenden Tagen in besonderem Glanz.

Die Weiterfahrt wurde noch einmal aufgehalten in Dordrecht. Dort fehlten eines Morgens ein Teil der noch vorhandenen Luken. Die vom Kapitän angeführte Untersuchung blieb ohne Erfolg und wurde wieder abgebrochen. Zurück blieben nur noch Verdachtsmomente. Auf der Werft in Tamise machte das Wrack am nahen Quai fest, denn die Helling war noch belegt vom Neubau eines Schiffes. Ein norwegischer Küster und andere Schiffe lagen daneben. Auf dem einen war ein, den beiden bekannter Matrose an Bord. Es hiess abwarten und in dieser Zeit war eigentlich wenig zu tun, also war genug Zeit vorhanden ausserhalb der Werft die Welt zu erkunden. Wenn auch seit der Weiterfahrt von Dordrecht auf unerklärliche Weise in der Menagekasse der beiden etwas mehr Geld vorhanden war, so war darin doch bald wieder Ebbe. Schuld daran waren, so glaubten sie, die vielen Sorten „flüssigen Brotes“ das in Belgien vielmals in Abteien gebacken wird und in Flaschen und an Zapfhähnen zum Verkauf angeboten wurde. Der immer halbvolle oder halbleere Flachmann in der rechten Hintertasche der Jeans trug das seine auch dazu bei. Die tägliche feste Ernährung bestand meistens aus weichgedämpften mit Pfeffer und Salz gewürzten Zwiebeln und Brot. (Nicht schlecht, versuch`s einmal) Zuweilen auch etwas Zwarte Sausisse, ein getrocknetes Fleisch, von dem man behauptete, die alt ausgedienten Pferde in den Kohlebergwerken hätten es an sich getragen. Eines Morgens erinnerte sich der Kamerad vom anderen Schiff, dass er doch am Vorabend dabei war und er ganz sicher seine dritten Zähne ausserhalb der Werft noch im Mund hatte. Hilfreich stand man ihm bei und man begann auf allen vieren zwischen Eisenplatten und Sand danach zu suchen und siehe, sie wurden fündig. Der Mann, der die glühenden Nieten nach oben in die sichere Hand des Fängers warf, hielt für einen Moment inne und klatschte Beifall. Für einen kurzen Moment verstummte auch der Niethammer oben im innern des Schiffes mangels Material. Und so war auch dieser Tag wieder gerettet. Für eine kurze Zeit musterte einer der beiden auf dem norwegischen Küster an. Der Name des Schiffes trug den Namen „Monika“.

Die Namen dieser Kameraden waren Stan, Styk, Björn und Ramos, ein mexikanischer Koch. Das mit Hering gefüllte Fass an Bord war bald zur Hälfte leer und die Cafés in der Nähe der Werft hatten Zeitweise ein zusätzliches Menü. Das Morgenessen an Bord war immer gut mit Fisch und Bratkartoffeln, als aber der Mex eines Tages Suppe auftischte, aus welcher einem traurige Fischaugen entgegenblickten, war auch das Kapitel „Monika“ abgeschlossen. Der Seesack des einen stank noch lange Zeit nach Hering. An einem Abend begaben sie sich bei Flut an Land und als sie an Bord zurück kamen war voll Ebbe. Auf einem Floss sah der eine beim an Landgehen einen schönen Hammer liegen und den wollte er unbedingt holen und so stieg er bei Dunkelheit in trunkenem Zustand die Treppe zum Floss hinunter. Dass aber das Floss durch lose Taue etwas von der Treppe entfernt war merkte er erst, als er bis zum Hals im Wasser war. Auf das Gelächter seines Kumpans der oben stand, holte er sein ganzes Repertoire an lieben Wörtern aus seinem benebelten Tresor und das waren deren nicht wenige. Aus, – Fertig, jetzt wurde zusammen beschlossen zurück in die Schweiz zu gehen und so nahmen sie die Bahn und fuhren nach Antwerpen auf das Schweizer Konsulat. Dort trugen sie ihr Anliegen vor. Eine sehr höfliche Dame bat sie im nahen Zimmer Platz zu nehmen und zu warten mit der Aussage, der Herr Konsul nehme sich der Sache an. Nach geraumer Zeit erschien der Konsul persönlich und teilte ihnen mit, dass er soeben mit Herr Philipsen, dem zuständigen Direktor der SR, gesprochen habe und den beiden den guten Rat gab, unverzüglich wieder an Bord zu gehen, da das Schiff in kurzer Zeit aufgedockt würde und eine Menge Arbeit auf jedes Besatzungsmitglied zukäme. Mit dem Rückfahrgeld aus seinen Händen begaben sie sich wieder an Bord.

Das Leben änderte sich schlagartig und Arbeit, Schiffs- und Navigationskunde bekamen wieder ihren angestammten Platz in ihren Köpfen.

Zu bemerken wäre da noch, dass einer davon auf dieser Werft ein Mädchen sah, das er später heiratete und heute noch über frühere Zeiten mit ihr spricht.
René Bolliger

 

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